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Gedanken zum Social Web mit B2B-Fokus
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Kurz, mittel, lang – Die Lebensdauer von Nachrichten im Social Web
13. November 2011
Verfasst von - „In der Informationsflut geht mein Beitrag unter“. Oder: „Die Timeline [bei Twitter der Beitragsfluss] schiebt meinen Eintrag schneller nach unten als ich bis drei zählen kann“. Das ist bedingt richtig. Und es trifft dann zu, wenn der Beitrag von den Communities – also von den Nutzern meiner verwendeten Plattform – nicht als relevant eingestuft wird. Solche „Neuigkeiten“ werden schlicht überlesen.
Im Social Web scannen Leser mit einer unglaublichen Geschwindigkeit Inhalte. Das geht so: uninteressant, kenne ich, uninteressant, hoppla – das klingt gut, das lese ich, langweilig, kenne ich, oh spannend, muss ich weiterleiten, fade, schon wieder das…
Achtung: Ihr Netzwerk registriert – willentlich oder unwillentlich – wer Interessantes und wer Uninteressantes postet. Kontrollieren Sie Ihre Einstellungen in den Netzwerken. Sie bestimmen, was Ihr Netzwerk erfährt. Wollen Sie alle Statusmeldungen streuen? Oder wollen Sie fokussieren? Das betrifft im beruflichen Umfeld Plattformen wie Xing oder LinkedIn. Viele benutzen diese Kanäle zum Netzwerkaufbau und sammeln dort bereits existierende Kontakte. Später können die Kanäle selbst zum Aufbau der eigenen Reputation genutzt werden. So kommen über den Kanal und das eigene Engagement dort plötzlich neue Kontakte hinzu – Menschen, mit denen man noch gar nicht selbst in einem persönlichen Kontakt stand. Das funktioniert beispielsweise durch ein aussagekräftiges Profil oder durch aussagekräftige Meldungen.
Google+ ist dafür momentan ein wahres Füllhorn zum Kennenlernen von Menschen mit gleichen Faibles und Interessen. Jeder kann Teil einer Interessensgruppe werden, indem er sich einfach den entsprechenden Kreisen (Circles) anschließt.
Ein Mehrwert stiftender oder richtig interessanter Beitrag wird geteilt, weitergeleitet, gemocht, geplust und im besten Fall kommentiert oder diskutiert. Und zwar genau von den Nutzern, die ich inhaltlich erreichen wollte. Volltreffer: ich habe die gewünschte Aufmerksamkeit in meiner Zielgruppe. Mit etwas Glück überwindet der Beitrag Plattformgrenzen. Der ursprünglich geteilte Link auf Google+ kann plötzlich auf Facebook oder Twitter wieder auftauchen. Und wer sich an die Netiquette hält, erwähnt die Quelle oder den Autor.
Damit wird die Dynamik der Social-Media-Kanäle deutlich. Grenzen verschwinden. Das gilt auch für die Lebensdauer von Nachrichten. Auf der Zeitachse gibt es je nach Plattform unterschiedliche Effekte:
Kurzzeit-Effekt (Twitter)
Über Mikroblogging-Plattformen können Informationen gestreut werden. Der Verbreitungsgrad kann sehr hoch sein, vorausgesetzt ich habe viele „Follower“ und darunter auch noch die richtigen „Influencer“, das sind Nutzer mit einem großen Netzwerk. Sie sind wichtige Multiplikatoren im Social Web. Wer die „Influencer“ aus seinem Themengebiet auf seiner Seite hat, erweitert automatisch seine Reichweite. Beiträge rutschen sehr schnell nach unten und sind schon nach wenigen Stunden im Nirwana verschwunden. Ein Tweet (Twitter-Beitrag) kann durchaus wiederholt werden – das macht dann schon zwei Kurzzeiteffekte…
Mittelfristiger Effekt (Facebook, Google+, Xing, LinkedIn, Blogs)
Nachrichten auf den Kommunikationsplattformen haben eine längere Verfallszeit. Auch hier wirken die gleichen Mechanismen wie oben. Ein „Post“ wird wieder nach oben gespült, sobald eine Reaktion von einem Nutzer darauf erfolgt. Kommentare haben eine besonders starke Wirkung. Direkt nach der Veröffentlichung schnellt die Aufmerksamkeit nach oben. Dann flacht sie ab. Sobald jemand „gefällt mir“ anklickt, rückt der Eintrag wieder ins Blickfeld. Häufig kommt es zu kuriosen Effekten, wenn ein längst vergessener Eintrag wieder ganz oben erscheint.
Langzeit-Effekt (Slideshare, YouTube, Flickr)
„Das Web vergisst nichts“ – ich sehe eine Karikatur von Wilhelm Busch vor mir: Lehrer Lämpel mit erhobenen Zeigefinger vor dem unbedarften Web-Nutzer. Tatsächlich können einmal ins Netz gestellte Nachrichten immer wieder auftauchen. Sehr zum Leidwesen von Opfern eines „Shitstorms“. Im Netz kursieren etliche legendäre „Fails“, das sind Beiträge, die „nach hinten losgegangen“ sind. Die verbreiten sich rasend schnell, entwickeln eine ungeheure Viralität. Das führte bei einigen Unternehmen zu massiven Umsatzeinbußen, enormen Reputationsverlust und sogar zu Einbrüchen an der Börse.
Der Homo Digitalis straft schlechtes Verhalten gnadenlos ab: dazu gehört mieser Kundenservice. Im Fall vom Computerhersteller Dell war der Effekt eklatant. Der schlecht behandelte Käufer beschwerte sich in Foren. Die Börsennotierung von Dell ging dann bald nach unten. Heute gehört Dell zu den Vorzeige-Unternehmen im Social Web. Das Unternehmen hat seine Chance wahrgenommen.
Über die digitale Reaktion auf mangelnden Kundenservice kann auch die United Airlines ein Lied singen. Über 11 Millionen Aufrufe hatte dieser unzufriedene Kunde der United Airlines:
http://www.youtube.com/watch?v=5YGc4zOqozo
Aufruf zu Fair Trade – Solidar Suisse hat mit einem George-Clooney-Double den Nespresso-Werbespot parodiert:
http://www.youtube.com/watch?v=GhzHRuhzPSE
Bei solchen Videos greift der von Anderson beschriebene „Long-Tail-Effekt“. Sie sind selbst nach Jahren noch auffindbar und werden immer mal wieder angeklickt. Das betrifft natürlich auch andere Inhalte. Die Sichtbarkeit von manchen eingestellten Inhalten hält sich teilweise auf einem niedrigen aber kontinuierlichem Niveau.
Deutlich wird bei diesen beiden Videos, dass im Netz vor allem clevere oder lustige Posts anerkannt werden. Hier geht es jeweils um intelligent dargestellte Kritik. Das Verhältnis von positiven zu negativen Beiträgen im Netz ist ungefähr 80:20. Das Social Web ist gar nicht so böse wie man glauben könnte. Natürlich gibt es Trolle [Provokateure], ewige Nörgler und Mobbing – diese Auswüchse sind nicht zu beschönigen.
Heißt das im Umkehrschluss das Social Web sei gut?